The Good Fellas are back!


Jüngst feiern die Gangster, die Auftragskiller, diese so irgendwie „coolen“ Männer, die das Morden zum Beruf gemacht haben, wieder ein Comeback in den Kinos. Aktuell im Kino zu sehen ist Ruben Fleischers Gangster Squad, am 2.5.2013 startet The Iceman von Ariel Vromen.
Zweiterer handelt von Richard Kulinski, dem „Iceman“, der für New Yorker Gangsterbosse die Drecksarbeit erledigt – eiskalt ist er, emotionslos tötet er Menschen – und noch dazu ist/war er real. 1986 wurde Kulinski wegen Mordes an 100 Menschen verurteilt. Neben seinem Job hatte er aber, und hier wird die Parallele zu Gangstern wie Henry Hill aus Good Fellas  spürbar, ein stabiles Familienleben, eine Frau, (Winona Ryder), zwei Töchter, in deren Augen er das Haus schlicht zur Arbeit verließ und wieder kam. Bis Polizisten sein Haus umstellten und er sich, eindringlich gespielt von Michael Shannon, in Haft wiederfindet, doch: um Vergebung möchte er gar nicht bitten.
Im Gegensatz zu Good Fellas, dessen Hauptdarsteller Ray Liotta hier den Boss geben darf, der er bei Scorsese aufgrund seiner halbitalienischen Wurzeln nicht sein durfte, wird der Job als solcher noch stärker ausgespielt, denn: Auftragskiller können auch gekündigt werden. Haben eine Familie zu versorgen, müssen schauen, bei wem sie dann anheuern können. Während in Good Fellas stark die Nebensächlichkeit des Mordens herausgestellt wurde, mit Kochen parallelisiert, fast schon ironisch inszeniert wurde mittels Musik (wie auch später in Bezug hierauf in Tarantinos Reservoir Dogs), ist das Morden bei Vromen cold as ice, als Broterwerb unerlässlich. Die Darstellung ist, obwohl beide Filme auf wahren Begebenheiten beruhen, wesentlich weniger distanziert und realistischer, und vor allem: nicht wertend.
Auf wahrer Begebenheit fußt auch der aktuellen Gangster Squad: Wie einst Good Fellas ist auch dieser Film ganz den Genrekonventionen verschrieben, die Gangster sehen in ihren Anzügen verdammt gut aus, die Schießereien sind ästhetisiert und in Slow-Motion – was, gerade in Hinblick auf Scorsese oder Tarantino nun wahrlich nichts schlechtes bedeuten muss. Mimisch absolut auf den Punkt und grandios fügt sich auch Sean Penn in seiner Rolle als Mickey Cohen, der vom Squad rund um Publikumsliebling Ryan Gosling alias Sgt. Jerry Wooters gejagt wird. Doch das vielversprechende Geballer durch die Leinwand im Trailer  verspricht einen Deut zu viel: Action, Ästhetik, Kostüm, Penn – helfen am Ende leider nicht darüber hinweg, dass der Film sich letztlich selbst zu ernst nimmt und verklingt in pathetisch-amerikanischem „eure Polizisten sind jeden Tag für euch auf der Straße“- Gedöhns.  Schön anzusehen ist das ja, doch wo The Iceman  und Goodfellas in Zelebration und Schilderung von Gangster-(Kunst-) Figuren das Noir-Genre hochhalten, die hässlichen Seiten zeigen, wird es bei Gangster Squad am Ende fast zur Farce, zur reinen Performanz seiner selbst, zum hohlen Pathos. 

Von Taschen und Kunst


Ein Kleid ist ein Kleid ist ein Kleid und eine Tasche nicht viel mehr als ein Produkt, dienlich der Aufbewahrung von Gegenständen, die man mit sich rumträgt, könnte man meinen. Verleiht man dem Kleid aber das Attribut „kurz“ und noch „schwarz“, wird dem augenblicklich eine andere Bedeutung beigemessen: es wird nicht nur getragen, weil es Sommer ist, es ist nicht mehr nur zweckdienliche Kleidung, es hat eine Funktion. Sexy soll es sein, verführerisch, verrucht. Ein Glas Wein an die roten Lippen geführt, Aufmerksamkeit erregt - und der Sieg ist uns sicher. 

So kann auch eine Tasche mehr als nur eine Tasche sein: als Symbol der Verbundenheit, als politische Geste fungierte sie 1995 Bernadette Chirac, die Lady Di eine Dior-Tasche überreichte, welche zum Klassiker avancierte und sich bis heute unter dem Namen Lady Dior größter Beliebtheit erfreut. Mode ist, so zeigt sich, kontextabhängig und kann, in neue Beziehung gesetzt, mehr als nur Kleidung sein, sie kommuniziert auf verschiedensten Wegen und lässt Freiraum für Interpretation.
Dass Mode in Kontextverschiebung auch Kunst sein kann und Kunst Mode, ist in diesem Zusammenhang offenkundig, doch die Frage ist: wann? Am ehesten wohl dann, wenn sie ihre Funktionalität abstreift und (fast) untragbar wird, wie bei Alexander McQueen mit seinen dramatisch-morbiden Tier-Stoff-Metamorphosen oder wenn ihr konzeptuell jeglicher Bezug zum üblichen Pomp genommen wird wie bei Margiela. Dieser bemühte sich darum, der Kleidung neue Formen zu verleihen, gleichwohl wie seine Mode stets einer konsequenten und konzipierten Philosophie folgte und sich selbst als eine solche konzipierte (nach außen gestülpte Nähte, verhüllte Modells etc.) offenbarte. Die Nähe zu Konzeptkünstlern wie Marcel Broodthaers ist hier am meisten spürbar – denn letztlich liegt der Kunst immer ein Gedanke zu Grunde, fruchtbar wird sie in und durch ihn.

Am Ende ist ein Designer auch immer ein Künstler: er beherrscht das Handwerk und schöpft kreativ, er hat das, was wir gemeinhin als „den Blick“ bezeichnen könnten, wie Tom Ford in der grandiosen Inszenierung seines Regiedebuts A Single Man (2011) zeigte. Dass Künstler wiederum aber auch in symbiotische Wechselwirkung mit Mode treten, zeigt sich an Beispielen wie Cindy Sherman, die stereotypische Kleidung für ihre Selbstinszenierungen nutzte oder Andy Warhol, der Kleider mit der Campbell-Aufschrift bedruckte – ein weiteres Postulat zur Oberflächlichkeit. Ein Statement setzte auch Jana Sterbaks 1987 in Form eines „Flesh Dress for an Albino Anorectic“, das erst unlängst in ähnlicher Form an Lady Gaga für Furore sorgte.
„Die Grenze zwischen einer Kunst, die sich textiler Materialien und modischer Elemente bedient, um einen primär künstlerischen Prozess in Gang zu setzen, und einer Mode, die zumindest theoretisch von der Grundidee der Tragbarkeit ausgeht, ist dabei kaum mehr klar definierbar – Wie überhaupt Kunst und Nicht-Kunst nicht mehr eindeutig zu trennen sind“, schreibt Gertrud Lehnert und rekurriert dabei auf den inzwischen verschwimmenden Kunstbegriff – man könnte fast sagen, alles kann Kunst sein, nichts muss. Zum Zusammenhang von Kunst und Mode könnte man sagen, die Mode ist der Kunst dann am nächsten, wenn sie sich zweckentfremdet, die Kunst der Mode aber dann, wenn sie sich der Mode für ihre Zwecke bedient.

Kommen wir zurück zu der Tasche, die nun mehr als eine Tasche ist, ein Klassiker, schlicht, für die Lady von Welt. Auch sie schaffte es letztes Jahr ins Museum, denn ihr zu Ehren ließen sich etliche namhafte Künstler inspirieren („As seen by“) und gestalteten sie nach ihren Vorstellungen um. Dabei heraus kamen durchaus ansehnliche, interessante Exponate: Amorph und deformiert kam die Lady Dior daher bei Peter Macapia, zu aufbrechendem Eiskristall erstarrte sie bei Olympia Scarry und die Recycle Group sprengt sie, so scheint es, nagelfömig auf. Namhafte Fotografen nahmen sich ihrer an, wie Nan Golding oder David Lynch – der sie, wie üblich, in seine eigene mythische Bildsprache übersetzte – besonders prägnant im Promo-Video Lady Blue Shanghai mit Marion Cotillard.

Nun sind diese „Taschen“, die keine mehr sind, zweifelsohne zweckentfremdet, nicht mehr zu gebrauchen, oder auf einer Fotografie in kontextverschobenen Inhalt gebettet und somit nach vorangehender These Kunst. Die Crux daran ist jedoch, dass dies für Dior paradoxerweise gerade durch die Zweckentlehnung einen Zweck verfolgt: sie wird zu Kunst erhoben. Und welcher Zweck steht für die Künstler dahinter, außer dem Auftrag? Gerade bei einem Nonkonformisten wie Lynch ist der Gedanke, er ließe sich von selbst von einer Dior-Tasche inspirieren, geradezu irreal.
Und, dennoch: Denken wir einmal zurück in eine Zeit, in der Mode Privileg des Adels war, Diktat des Hofes. Welche Stellung hatte die Kunst damals? Es handelte sich meist um Auftragsarbeiten. Die wir heute in den Museen wiederfinden.