STROKE.ARTFAIR - Kunst für das 21. Jahrhundert. Part II


Daniela Uhland, Ode an Gustav K.

Überhaupt ist ein Trend zum digitalen Malen spürbar auf der Stroke. Ins Auge fielen dabei Werke, die ausgestellt wurden von der Berliner Galerie Box 32, wie zum bei Beispiel Frederik Schulz. Der gelernte Grafikdesigner arbeitet vor allem mit Panoramafotografien, die er in weiterer Bearbeitung fast gänzlich ihrer Perspektive entzieht, Wände und Details wölbt, streckt, den eigentlichen Raum unkenntlich macht. Es entstehen so mehrsichtige, fast amorphe, surrealistisch anmutende Architekturen.  Ein andres digital gearbeitetes Werk ist Daniela Uhligs „Ode an Gustav K.“ Auch ohne den hinweisenden Titel ist der Rückbezug auf Klimt nicht zu übersehen. Über hundert Jahre altes feiert hier mit altbewährtem Goldgrund, aber mit an unsere Zeit angepassten Pin-Up-Look Wiederauferstehung.
„The bad artists imitate, the great artists steal“, zitierte Banksy Picasso. Seine Meinung dazu kann und soll jedem selbst überlassen sein, eine interessante Assoziation gelingt aber Matthias Gephart in Entlehnung eines großen Künstlernamens mit „Caravaggio in Wedding“.

Frederik Schulz, Schlachtfeld.
Selbiges Banksy/Picasso-Zitat verwendete wiederum ein Künstler, 
welches die Leserichtung seiner Installation, wie er es nannte, einleitete. Diese bestand aus zusammengeschusterten Zitaten der Populärkultur, wiederzuerkennen waren Songtexte, Elvis, Hello Kitty und ähnliches. Nun ist die Idee des Klauens aber weder wesentlich neu noch innovativ und dieses bunte Wirrwarr kann, ebenso wie die zitierten Texte aktueller Popmusik (wenn auch stellenweise noch recht lustig gesetzt) nur kurz Aufmerksamkeit erregen – es landet früher oder später sowieso auf dem Pop-Trash. Das selbst auferlegte Prädikat des „great artists“, das der Künstler sich hier versucht zu erklauen, erscheint doch sehr kalkuliert und vermessen.




Mr. Trash
Zitieren kann jedoch nicht nur um des Zitierens Willen freudigen Wiedererkennungseffekt beim Rezipienten auslösen, wie zum Beispiel Mr. Trash beweist. Hier geht es nicht um aufgesetzte Tiefsinnigkeit: einige seiner Totenköpfe, mit verschiedenem Farbgrund an Warhol anlehnend, leuchten im Dunkeln. Urbane Kunst soll ja auch vor allem visuell erfreuen und mit ihren Neonfarben das Auge bestechen. Auch Miss KK aus Ungarn bedient sich, wie schon einst Duchamp, der Mona Lisa. Ihr gelingt eine humoristische Adaption des (nun blau geschminkten) altbekannten Gesichts mit einem tätowierten und Hot-Pants tragenden Körper. Verführerisch scheint sie uns anzulächeln und ihre Herkunft scheint, zumindest in diesem aktualisierten Kontext, keine Frage mehr zu sein. Ausgestellt wird Miss KK, die viele Collagen dieser Art geschaffen hat, im Übrigen von Art Moments/Hybridart. Die Ausstellungsserie reist derzeit durch Europa und präsentiert hundert junge ungarische Künstler.








Miss KK
Giacomo Spazco














Hier und da bietet sich dem Betrachter jedoch mehr Tiefe dar, als auf den ersten Blick erwartet – wenn man verweilt und hinter die neonfarbenen popkulturellen Referenzen blickt. Giacomo Spazco beispielsweise, der viel mit Neonpink arbeitet, druckt Mickey Mouse mit Sternen versehen in erschrockenem Gestus auf eine unbespannte Leinwand und ergänzt das Bild mit der Schrift „Our dreams are still born in Hollywood“. Auch das Duo Doppeldenk verweist in kaum lesbaren schreiend bunten Bildern (Siebdruck, auch hier spürt man den Einfluss und die Präsenz eines Warhol) auf die sieben Todsünden.

Valsugo. Bild: valsugo.com
Besonders eindringlich, da im Vergleich zu anderen unheimlich düster, sind die Bilder von Valsugo, ein Münchner Künstler. Auf mit dunklen Farben bemaltem Holzgrund sind die Sätze „Vom Spiegelbild angespuckt“, „Cut my life into pieces“ (Ein Zitat aus „Last Resort“ von Papa Roach), „Vom Leben den Arsch versohlt“, „Fliegen Stücke umher alles bricht sich immer mehr“ und „Ich liebe mein Leben“. Dem Bild scheint eine für den Künstler kathartische Wirkung inne zu wohnen, der Eindruck bestärkt sich noch durch die Wahl von Holz als Untergrund und der Andeutung eines Andreaskreuzes hinter dem eigentlichen Bild.






Michael Hacker&Foerdl
Auch skulpturale Werke kamen nicht zu kurz. Eine besoners amüsante Arbeit gelingt Michael Hacker&Foerdl mit „ACAB (All cats are bastards“), dargestellt sind zwei Mäuse, eine offensichtlich betrunken und Käse kotzend, während die andere mahnend den Zeigefinger hebt. Das absolute Highlight aber kommt von Alexander Becherer, der unter dem Namen „Biserama“ veröffentlicht. Aus Styropor vereint mit anderen Materialien entstehen irrsinnige Skulpturen, die handwerklich unglaublich fein gearbeitet sind. Er arbeitet mit maskenhaften Gipsabdrücken eines (vermutlich seines?) Gesichts, das er zusammensetzt mit einem vielteiligen Körper, behängt mit Attributen wie Glühbirnen oder Warnschildern. Am meisten beeindruckt aber eine Arbeit, die den betenden Körper der Skulptur umhüllt mit akribisch aus Styropor geschnitzten Labels, Marken und allseits bekannten Logos. Die Fülle der  jedem geläufigen Schriftzüge verbildlicht den Konsumwahn auf eine äußerst unkonventionelle und handfertige Art und Weise.







Fazit: Urbane Kunst ist bunt. Sie kann laut(malerisch) sein, oder auch leise und eindringlich. Sie zitiert, verwertet, nimmt auf, um letztlich beim Betrachter genauso weiterverdaut zu werden, manchmal ist sie leicht bekömmlich, mitunter stößt sie sicher auf.
Sehenswert ist sie allemal, „Messe-nswert“ auch.

STROKE.ARTFAIR- Kunst für das 21. Jahrhundert noch bis 29.5.2011, Zenithhalle München, Lilienthalallee 29

Biserama. Bild: biserama.blogspot.com
Biserama.

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