Im folgenden Artikel sind die Handlung und alle handelnden Personen frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig. Jedenfalls fast.
Wie wir alle, bin auch ich Teil der Facebookgeneration, dieser Maschinerie, des virtuellen Beisammenseins. Ständig geht das Phänomen „Facebook“ durch die Medien und wird durchleuchtet von allen Seiten. Die wohl spannendsten Fragen sind, wie sich der permanente Zwang zur Performanz oder die Art der Kommunikation unter „Freunden“ gesellschaftlich auswirken. Beispiele zu aktuellen Diskussionen finden sich in der Süddeutschen oder in der F.A.Z., um nur zwei davon aufzuführen.
Wenn man aber mal schaut, nicht nur um eben so zu schauen, sondern einen differenzierteren Blick auf sogenannte Freunde wirft, kommt man nicht umhin, täglich immer wiederkehrende Schemata festzustellen. Wagen wir uns also in soziologische Gefilde vor und versuchen, diese zu Typologisieren (Mischformen möglich).
Der Typus, der wohl jedem am meisten aufstößt und von vielen gar nicht mehr gesehen wird, da: geblockt, ist der, der nichts zu sagen hat, aber uns nicht damit verschont, es trotzdem zu tun. Nennen wir es digitale Logorrhoe. Sollte sich diese in den nächsten Jahren als tatsächliche Krankheit herausstellen, nehme ich das sofort zurück. Und hoffe das ist heilbar! Denn nein, es interessiert uns nicht, was ihr gerade im Fernsehen seht, ob Werbung kommt oder ihr die Fernbedienung nicht findet! Nein, wir wollen auch nicht wissen wie krank ihr gerade seid, ob ihr Pusteln habt, Kopfweh oder Durchfall! (Gab es schon, Tatsache.) Ob ihr gerade Feierabend habt, oder anfangt zu arbeiten, oder guten Morgen sagt...oder gute Nacht!Was kommt als nächstes? Die Frage nach einem Tampon oder einem Kondom? Nächtliche Updates zu Sexpraktiken? „Ich bin gerade im Bett mit...“
Noch so ein Fall. Menschen, die ständig mitteilen müssen, wo sie sind. Davon abgesehen, dass die Leute, die es interessiert vermutlich sowieso schon danebensitzen und sich freuen verlinkt zu werden – wenn du eben noch gepostet hast, du gehst jetzt arbeiten, wissen wir auch 15 Minuten später wo du bist. Oder in welchem Club. Oder auf welcher Autobahn.
Ein neuer Trend scheint sich breit zu machen unter frischgebackenen Mamis. Das mag jetzt vielleicht am Mittzwanzigerbekanntenkreis meinerseits liegen... Aber Mamis. Schiebt den Kinderwagen ein bisschen raus anstatt täglich Stunden vor dem PC zu sitzen und jeden wissen zu lassen wie sehr ihr euer Kind liebt! Da sind Kochrezepte weitaus ertragreicher für die Allgemeinheit. Dasselbe gilt auch für ebenso frische Pärchen. Wir freuen uns alle für euch! Wirklich! Es gibt nichts schöneres, als zu sehen, dass zwei Idioten, die offenbar zusammenpassen es auch noch geschafft haben sich zu finden! Und Romantik, ich bin ja großer Fürsprecher, und es die ganze Welt wissen lassen, dass man sich gern hat, ist die eine Sache. Sich aber gegenseitig die Pinnwände so vollzusabbeln, dass anderen das Kotzen kommt... nun ja. Ein Herzchen, ein Lied, ein Zitat, ein Wasweißich... aber das öffentliche Zelebrieren muss halt nicht unbedingt sein. Verzieht euch ins Bett, wo ihr hingehört!
Jetzt werden viele sagen: müsst ihr ja nicht lesen, wenn ihrs nicht wollt. Ganz genau, zum Glück gibt es das Facebookeigene ABS, ein Klick, weg sind sie. Pervers: irgendwie will man dann doch, und wenn es nur ist, um sich darüber aufzuregen oder es den Freunden zu kopieren mit garstigem Kichern. Ihr seid gerne das Gespött anderer? Go for it.
Ganz fatal ist, wenn solche Menschen sich dann trennen. Oder verstimmte Allround-Poster im Allgemeinen. Die wälzen sich so lange in Selbstmitleid, bis man sie am liebsten Rütteln würde, oder ihnen zumindest einen Keks geben. Oder Baldrian, damit sie endlich schlafen!
Sehr sympathisch dagegen finde ich den Typus der „Melancholischen“. Ihr Posting-Verhalten ist ein eher ruhiges, dafür hat es das dann in sich: tiefschürfende Lieder, Zitate aus ebensolchen oder auch anderen Quellen, so wirklich gut drauf scheinen die nie zu sein. Der große Vorteil an solchen Online-Bekanntschaften: tolle neue Musik! Auch der Overkill an Youtube-Links lässt sich wieder unterteilen. Für manche ist es Ausdruck einer Emotion, Ansprechen eines imaginären Gegenübers, Erinnerung an einen tollen Moment, manchmal passt es auch einfach grundlos. Für andere Support, Beschallen ebenso imaginär zuhörender Freunde, oder einfach nur geposteter Bullshit. Und warum auch nicht Mitmenschen mit furzenden und hicksenden Katzen zum Lachen bringen?
Was mich im Umkehrschluss zu den „Intellektuellen“ führt. Diese sind meist damit beschäftigt, Zeitungsartikel zu teilen (besonders beliebt: Politik) oder Zitate, die nur auserwählte verstehen können. Wenn sie denn mal kommentieren, dann meist auf einem solchen Niveau, dass einem erst mal die Spucke wegbleibt und man für eine Antwort in eine einstündige Trance verfallen muss. Letztendlich ist das natürlich ebenso eine Selbstbeweihräucherung wie die des Mädchens, das täglich ein neues Bild von sich uploaden muss, um Zuspruch zu bekommen, wie gut es aussieht (Im „Tribute to the stars on Facebook“ der The Altoids Curiously Strong Awards läuft sie unter „Princess Snapshot“). Es ist aber auch ein Teufelskreis - durch Bestätigung anderer wird man nun mal bestätigt, also warum damit aufhören? Dass ein geringes Selbstwertgefühl in solchen Fällen mit reinspielt, der Drang nach Aufmerksamkeit, wird verdrängt oder erst gar nicht wahrgenommen – ist allerdings von Studien belegt.
Wie die F.A.Z. schreibt, „das Bedürfnis nach ständiger, aber unauffälliger, konfliktarmer Abgleichung des eigenen Urteils und Selbstbildes mit anderen“, hofft ein jeder, der etwas postet, dass es gefällt. Was heißen soll, dass MAN gefällt. Von lediglichem Informationsaustausch kann in keinem Fall die Rede sein, die Erwartungshaltung ist immer Aktion gleich Reaktion. Nun kann aber doch keiner behaupten, das virtuell erstellte Selbstbild wäre das wirkliche uns eigene. Jeder projiziert eben die Facetten nach Außen, wie er sie gern hätte, dass sie wahrgenommen werden. Man stelle sich das Szenario vor, wenn dem nicht so wäre! Man läuft über die Straße, denkt sich nichts böses, sieht einen entfernt Bekannten, der stupst einen fröhlich an und erzählt erst mal was es zu essen gab, dass Frauen scheiße sind und beendet mit einem Mark Twain-Zitat?!
Ein jeder sollte sich dessen bewusst sein, ob er nun postet oder nicht (denn auch das ist ein Typus: die [Ent-]Haltung, die liken dann gerne hinterfotzig aus dem Nichts): Es handelt sich bei „Facebook“ um eine Metaebene, um ein konstruiertes Hologramm dessen, was sich darunter befindet. Wenn man an den Menschen dahinter ran will, sollte man das fernab medialer Selbstinszenierung versuchen.