...Aber...Füchse sind doch gar keine Rudeltiere!


"Du hast mich neulich Nacht vier mal durchgevögelt, David! Du warst in mir! Ich hab deinen Sperma geschluckt! Das bedeutet doch etwas! ... Es war ein Versprechen!“ so, oder so ähnlich Cameron Diaz Ausbruch, bevor sie ihr Auto samt Tom Cruise in „Vanilla Sky“ eine Brücke runterfährt. Die Ausgangsposition: sie, sein Fuck-Buddy, hatte sich mehr erhofft. Und nahm körperliche Nähe als Versprechen für geistige.

Die Frage dabei ist doch – wann beginnen wir unversehens damit, „Versprechungen“ abzugeben? Vielleicht sogar, „verantwortlich“ zu sein für jemand? Bei der Knutscherei im Club,  beim nächtlichen Wälzen danach, bei Sperma in den Haaren? Vermutlich ja wohl nicht. Sollte besagte Ausgangsposition in diesem Fall ja wohl auf beiden Seiten klar auf der Hand liegen. Denn, man kennt sich nicht, man lässt sich leiten, Performance-Art, just for fun.

Und, von dem schweren Wort „Verantwortung“ sprechend, sind wir ja letztlich in unserem Tun immer allein verantwortlich für uns selbst. Unser Leben, unsere Entscheidung, unsere Konsequenzen. Wir als die Hauptakteure unserer Bühne, unseres Laufstegs, scheiß aufs Publikum, die verfaulten Tomaten fangen wir mit links. Mit „Verantwortung“ soll nun aber auch nicht gemeint sein, dass wir uns ständig selbst kasteiend durch die Gegend laufen sollten und über alles und jeden Sorgen machen. Verantwortung „tragen“, auf den Schultern, niederdrückend – ist zwischenmenschlich, ob nun zwischen Männlein und Weiblein, oder in guten Freundschaften, auf Dauer für niemanden tragbar.

Um es aber mal mit dem Fuchs des kleinen Prinzen zu sagen: bei nichtsbedeutenden Begegnungen hat man die Möglichkeit, zu zähmen. Erst wagt man sich auf eine gewisse Distanz hinweg näher hin. Jeden Tag. Langsam gewöhnt sich der Fuchs an diese Anwesenheit, und lässt mit jedem weiteren Tag ein wenig näher. Bis man den Fuchs gezähmt hat und er immer darauf warten wird, wann du, der kleine Prinz, wieder kommen wirst. Laut Fuchs und Antoine de Saint-Exupéry beginnt hiermit dann, was eigentlich gemeint war: Verantwortung.

Verantwortung nämlich dafür, was aus deinem Verhalten resultiert, wenn du nicht frühzeitig weißt, was du tust, oder gar die Notbremse ziehst. Wenn jemand nach durchzechter Nacht und paarstündiger Bekanntheit „bis morgen!“ säuselt, musst du offensichtlich was falsch gemacht haben: du hast deine Grenze verkannt oder nicht deutlich genug gemacht. Wie Shirley Smith in „Wege in die Freiheit“ schreibt:  „Eines dürfen Sie dabei allerdings nicht vergessen. Obwohl Sie nicht für die Reaktionen anderer Menschen verantwortlich sind, müssen Sie sich doch der Auswirkung bewusst werden, die ihr Verhalten auf Andere hat. Wenn Sie jemanden kränken, sind Sie dafür verantwortlich und schulden ihm Abbitte. Nehmen Sie einmal an, jemand behandelt Sie mit Schweigen und ignoriert sie offensichtlich. Sie teilen ihm mit, dass Sie sich von diesem Verhalten verletzt fühlen. Der Andere sagt, Sie haben sich ihre eigene Wirklichkeit geschaffen (dies ist eine beliebte Entschuldigung bei New Age Anhängern). Wenn jemand einen anderen Menschen körperlich, sexuell, intellektuell, emotional oder spirituell missbraucht, ist er dafür verantwortlich. Nur durch die Entwicklung gesunder Grenzen werden Sie fähig, die Grenzen anderer zu respektieren und gesunde Beziehungen aufzubauen.“

Es geht um das Bewusstsein, dass Grenzen nun mal immer fifty-fifty sind. Gut, die Ossis nahmen es damals teilweise nicht so genau. Ein bisschen schmuggeln geht schon. Ein bisschen Mauer einreißen vermutlich auch. Ein bisschen übertreten, ein bisschen „eigene Wirklichkeit“ erschaffen wohl nur dann, wenn der Grenzpatron es lässt. Eigentlich sollte doch aber bei Zuwiderhandeln sofort jemand laut „Stop!!!“ rufen und dir seinen kalten Lauf in den Nacken drücken, sodass es dich schüttelt und du sofort verharrst. Auch Missbrauch obliegt in solcher Situation der Verantwortung aller Beteiligten: Der Eine macht, der Andere lässt, vielleicht weiß es in dem Moment keiner besser. Eher wahrscheinlich aber ist, dass Kommunikation trotz ständiger Reizüberflutung eine Sache ist, die uns ein bisschen abhanden gekommen ist. Der Fuchs und der Prinz, die hatten das noch drauf, in Antoines Phantasie, damals.

Und was sagte der Fuchs bei des Prinzen Einwand, was denn wäre, wenn er irgendwann nicht mehr kommt? Der Fuchs hatte nämlich, davon abgesehen, noch etwas, das vielen heutzutage verloren gegangen ist: Eine positive Weltanschauung. Er meinte: Ja, ich werde traurig sein. Aber dann habe ich die Farbe des Weizens gewonnen! 

Freud im Kino: Eine dunkle Begierde?


Große Namen sind es, mit denen neuester Streifen aus dem Hause Cronenberg lockt: Jung (Michael Fassbender), Spielrein (Keira Knightley), und vor allem Freud (Viggo Mortensen). Was erwartet man sich also, wenn man in einen solchen Film geht? In erster Linie wohl, und dafür sind Filme ja schließlich da, Unterhaltung. Und dann vielleicht, eben gerade hier: Erkenntnisse, neue Denkansätze, Psychologie!

Oder zumindest Einblicke in das Leben des Menschen, der die Psychoanalyse begründete, dem Drogenexzesse nachgesagt werden und der so unheimlich viele Begriffe prägte.
Wider Erwarten aber werden in „Eine dunkle Begierde“, wo es doch gerade um Psychoanalyse gehen sollte, die Figuren erstaunlich wenig psychologisiert. Und eigentlich geht es auch gar nicht um Freud, sondern nur um Jung. Jung, anfangs von Freud als Träger seines Vermächtnisses betrachtet, entwickelt sich immer mehr zum Mystiker, wird gezeichnet als Faustfigur, die wissen möchte „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Durch seinen Drang, psychoanalytische Grenzen auszuloten und der Psyche Irrationalem nachzugehen, spaltet sich einstige innige Trennung Jungs und Freuds.

Nebenbei, und das wohl mit dem Titel auch das vermeintliche Thema des Films, beginnt er eine Affäre mit seiner Patientin Sabina Spielrein. Doch wer meint, an dieser Stelle mehr über Triebe, Begierden oder Dränge zu erfahren, liegt falsch. Einzig der propagierte Zusammenhang von Sexual- und Todestrieb wird aufgerollt und an der seltsam-neurotischen Beziehung von Jung und Spielrein klar: die Dekonstruktion der eigenen Individualität im Akt und in Verschmelzung beider. Wer jetzt aber glaubt, er bekäme dunkle Begierde und Sex präsentiert, liegt wieder: falsch.

Der freudsche Begriff, der wohl noch am meisten zum Tragen kommt (neben ein klein bisschen Traumdeutung am Rande), bleibt dahingegen unerwähnt . Geradezu offensichtlich spielt sich zwischen „Vater“ Freud und „Sohn“ Jung ein Ödipuskomplex ab. Jung möchte (wie) Freud sein, stellt seine Autorität in Frage, freundschaftliche Rivalität steht stets im Raum. Überwindung dessen, Versöhnung und Koexistenz aufgrund des späten Eintritts und des übergroßen „Ichs“ sind aber scheinbar hinfällig.


Freudrezeption oder das Erkennen freudscher Muster im Film fällt der Filmwissenschaft eigentlich unglaublich leicht. Gerade im expliziten Wiederaufgriff aber scheint die Intermedialität den Kürzeren zu ziehen. Wobei: eigentlich liest sich der Film wie Freud. Ein bisschen zäh, ein bisschen langweilig. Nur bleibt das Klingeln im Kopf, das Anstreichen einiger Passagen und das Erkennen leider aus. Libido-Fail, sozusagen. Wie man stattdessen eineinhalb Stunden seiner Zeit sinnvoll investieren kann? Sich mit Freuds „Abriss der Psychoanalyse“ ins Bett kuscheln. 

Fire on Ice


Nur zu gern und zu schnell neigen wir dazu, Menschen Eigenschaften zuzuschreiben. Sie uns zurechtzubiegen, wie es halt gerade passt. Über nonverbale Konversation erhaschen wir einen Blick, yeah, er steht auf mich. Eine Bewegung, eine Hand zu lang gehalten, das Ding scheint so gut wie sicher. Immer von einem selbst ausgehend läuft die implizierte Projektion jederzeit mit. Als hätte man selbst mit seinen Gedanken nicht genug zu tun, denkt man auch noch für zig andere Menschen mit. Leerstellen in Gesprächen werden in Rückversicherung mit Anderen gefüllt, Impression, Diskussion, Interpretation, Penetration. Über YouTube-Links versuchen wir, besagte Lücken bestärkend zu füllen, kehren unser Innerstes nach Außen, aber eben nur vermeintlich. Währt man sich doch immer auf der sicheren Seite, bleibt vage, wird selbst Teil des Diskurses, der Interpretation.

Erhebt sich in nicht mehr fassbare Sphären, denkt, und meint dabei, und meint was der Andere vielleicht meint, schaukelt sich höher, findet keinen Absprung mehr, springt trotzdem. Zwischenmenschliche Beziehungen auf Metaebenen, ein Rausch von Isotopiefeldern. Und was wollten wir eigentlich nochmal sagen?

Haben wir vergessen. War es ein simples „I like you (very much)“, oder sind wir schon wieder so weit davon entfernt, dass uns das Simple entrückt? In freiem Fall, und nein, jetzt sind wir schon gesprungen, jetzt ist es zu spät, versuchen wir uns nochmal auf das Elementare zu besinnen. Und wenn alle implizierten Zuschreibungen nicht mehr reichen, müssen eben Horoskope herhalten. Oder auch Glücksnüsse. Denn das tolle daran ist: man wird immer etwas lesen, worin man sich wiederfindet.

Warum also nicht die Spielerei mit den Elementen mal mitmachen? Feuer, Wasser, Erde, Luft. Sind wir doch alle Teil dessen. Also einfach mal mit dem identifizieren, das einem zusagt. Muss man nicht mal groß googeln dazu, man kann sich auch selbst was zusammenreimen, funktioniert wunderbar. Feuer impulsiv, Wasser emotional, Erde besonnen, Luft dünn. Oder irgendwie so. Versuchen uns dabei aber dennoch immer an unstete Zu- und Einschreibungen zu klammern. Doch so sehr wir auch all unser Wissen, intra-, extradiegetisch, on, off, all unsere Menschenkenntnis zusammennehmen, bleibt die Leerstelle dennoch markiert. Die Interpretation eine subjektive. Stille Wässer tief.

Oder gefrieren. Und das Feuer? Versucht zu schmelzen. Wasser verdampft... Und Feuer...liegt am Ende selbst auf Eis. 

Eins plus Eins


Bild: fuckyouverymuch.dk

In den Grundzügen, sind wir doch alle mal ehrlich zu uns selbst: hat jeder von uns Schiss. Vor Spinnen, vor Wasser, vor Prüfungen, oh und vor allem vor Streit, Verletzung, Enttäuschung oder Bindung. Kommt ein Mensch in unser Leben, tritt das lawinenartig seltsamste Dinge los. Wild wird mit Freunden diskutiert, wann man sich melden soll, wie viele Minuten nach der letzten Sms warten, wann das erste mal Sex, wann „das große Gespräch“, und überhaupt.



Zweifel werden geschürt, genährt, überwunden, unterdrückt. Drei Tage nichts hören verursachen Konzentrationsmangel, Panikattacken und Herzrasen. Und eine Universallösung. Gibt. Es. Nicht. Geschuldet sind dümmste physische Reaktionen immer dem eigenen Background: die Summe aller Erfahrungen und Erwartungen, multipliziert mit dem Reifegrad der eigenen Einsicht und Lockerheit, plus emotionaler Faktor x im Quadrat.

Dass Mathe scheiße ist, wissen wir nicht erst spätestens seit wir uns die Frage nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner stellen mussten – hier korreliert selbige Frage mit einer Versagensangst, die weiter greift als eine rote 6. Und rechtfertigen müssen wird man sich hinterher nicht mal vor seinen Eltern, sondern einzig vor sich selbst. Und hier kommt auch schon der Knackpunkt: man selbst ist sich der größte Feind, größte Kritiker, die größte Hürde.

Denn bei jedem äußern sich Grundformen der Angst, wie Riemann sie bezeichnet, anders. Der Eine braucht unheimlich viel Nähe und Zuwendung, während dem Anderen nichts wichtiger ist als seine Freiheit. Wer immer die Kontrolle haben will, wird versuchen den Anderen zu unterdrücken oder einzusperren. Dann das ewige Thema Eifersucht... letztlich immer mit dem gleichen Ziel: Verstanden werden, geliebt, anerkannt, so wie man eben ist. Verbunden immer mit der Herausforderung: kann ich den Anderen auch so stehen lassen? Und was machen wir daraus?

Wie viel Nähe verträgt ein Mensch, wie viel Freiheit braucht er? Im besten Fall ist das Verhältnis ein ausgewogenes und jeder lebt auch sein eigenes Leben weiter wie gewohnt, die Überschneidung beider als Nonplusultra. Im schlechtesten Fall zieht man nach ein paar Wochen zusammen ob des unermesslichen Nähebedürfnisses und bekommt wenige Monate später das Kotzen.  Das andere Extrem ist, dass man vor lauter Eins mit sich selbst sein das Zwei-Sein vergisst, und wegstößt.

Ob oder wie gut das funktioniert ist wohl auch immer Erkenntnis-, Typ- und vor allem Frage der Kompromissbereitschaft. Manchmal ist Eins plus Eins eben Eins. Und manchmal geht die Rechnung nicht auf. 

Ich denke, aber darf ich sein?


„Warum läufst du so langsam?“ Wurde ich letztens gefragt. Was mich zum Nachdenken brachte. Und zur Folgerung: Warum nicht? Warum nicht mal genießen, die Menschen an dir vorbeiziehen lassen, der Musik im Ohr und dem eigenen Herzschlag lauschen? Nach oben sehen und die hässlichen Plattenbauten romantisch finden, wie sie im Nebel verschwinden?

Wenn ich dann schräg angeschaut werde und Andere sich wundern, wie bei mir immer alles toll und erfolgreich sein kann,  selbst wenn es dunkel und kalt und ist eklig draußen, lächle ich wissend und entgegne: „Einstellungssache.“ Wenn du deinen Fokus nur auch das Schlechte richtest, warum dann noch wundern? Auch ich fresse Scheiße, wenn nicht gar täglich. Doch aus Scheiße geilstes Schocko-Mousse machen ist eine Kunst. Eine Kunst, die der Übung bedarf.

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ stand schon in der Bibel – doch was Menschen bei dieser Phrase oftmals vergessen, ist das „selbst“! Wenn du mit dir nicht im Einklang bist und dich nicht liebst... wer sonst soll es also tun? „Ich denke, also bin ich“, heißt es außerdem. Das Sein in permanenter, performativer Selbstreflexion, ist ständige Nach- und Neujustierung. Denke also, aber sei dabei vor allem – du selbst. Man beachte dabei die semantische Zusammensetzung des Wortes Selbstbewusstsein: sei dich deiner selbst stets bewusst. Am ehesten noch dann, wenn du an einen Punkt kommst, an dem deine Authentizität in Frage gestellt wird.

Wir alle kennen das Märchen der kleinen Meerjungfrau, die unbedingt Mensch sein wollte und für ihre Beine durch Höllenqualen ging. Sie scheiterte. Was lernen wir also daraus? Sicher nicht dass es sinnlos wäre, romantischen Idealen hinterher zu jagen. Aber suche unter deinesgleichen. Lasse Menschen vorbeiziehen, die dich aufhalten wollen. Laufe langsamer. Trete einen Schritt zurück, denke, also sei!

Und wenn du Gefahr läufst, auf die Fresse zu fallen, dann LASS dich auch fallen. Nehme mit was du kannst, steh wieder auf  mit angebissenen Ohren, schnüre die harten Bandagen fester, stürze dich wieder in den Kampf. Aus Schmerz erwächst: Erfahrung. Und Narben sind verdammt sexy.