I... I... follow...


"Schluckst du die blaue Kapsel ist alles aus, du glaubst was du glauben willst. Schluckst du die rote Kapsel bleibst du am Leben. Bedenke, alles was ich dir anbiete ist die Wahrheit." -  so Morpheus zu Neo, um welchen Film es sich handelt, bedarf wohl keiner Erwähnung. Nun handelt Matrix aber von verschiedenen Realitäten – von einer, die den Menschen via Computersimulation rein innerweltlich vorgespielt und aufrecht erhalten wird, und einer anderen, der „wirklichen“ und äußeren Realität, die sich als weitaus unverblümtere entpuppt und in der Menschen von Maschinen an Schläuchen gehalten werden. Im Folgenden möchte ich ein Gedankenexperiment anwenden: Übertragen wir die Matrix auf unsere Realität – und nehmen an wir schlucken tagtäglich die blaue Kapsel, ohne uns dessen bewusst zu sein. Und damit meine ich nicht, dass unsere Körper tatsächlich von unserem Geist getrennt in Maschinenöl verschimmeln, ebenso wenig wie ich mich über Konstruktivismus auslassen möchte und darüber, wie der subjektive Blick oder die Medien eine Sicht auf die Welt konstruieren. Nein, die Frage ist: Ist in der heutigen Zeit, so „gefangen“ zwischen Innen und Außen, Auge in Auge mit der großen Welt, Stress, Hektik, iPhone und portionierten Freundschaften nicht das viel größere Wagnis, sich, dialektisch zum Film, in die Innenwelt zu begeben?

Die rote Kapsel schluckend konfrontiert man sich so mit Dingen, die in der Realität unseres Alltags nichts verloren haben: In Grün sehen wir die Lettern der Verflossenen an uns vorbei rasseln, die Körbe, den Schmerz ... nun haben wir uns aber schon entschieden, also Folgen wir dem Hasen. Und beginnen zu rationalisieren. Versuchen den Code zu begreifen, stellen uns selbst in Frage und vor allem: Jeden auf den wir treffen. Ist er/ sie der Auserwählte, et vice versa? Bedacht hoppeln wir weiter. Wägen ab, erstellen imaginäre Checklisten. Ringen mit Unbekannten, versuchen alle Variablen zu eliminieren, denn Konstanten sind gut. Hard facts, die uns Haken um Haken auf der Liste sicherer machen – hier könnte Neo am Haken sein. Oder Nemo, wie’s eben beliebt. Kommen dennoch nicht umhin zu zweifeln, kompromisslos, dem Perfektionismus entgegenstrebend: 100 Prozent! Und vergessen dabei die einfache und simple Frage: fühlt es sich gut an oder nicht? Der Clou nämlich an der Sache mit den 100 Prozent ist der, wenn es passt, werden aus 80 Prozent 100 – in Erfüllung des Pareto-Effekts, so quasi. Auch für Trinity ist der Beweis, dass Neo der Auserwählte ist, schlicht und sehr ergreifend: Dass sie ihn liebt. So einfach könnte es sein, ist es aber natürlich nur im Film.

Die Matrix in unseren Köpfen hingegen ist geprägt von Ängsten und Zweifeln, verursacht von negativen Erfahrungen und Vorsicht. Dabei sollten, so schreibt auch Paulo Coelho in Der Zahir, Zyklen beendet werden, keine Erwartungen gestellt, keine Ängste gehabt werden, „nicht aus Stolz, Unfähigkeit oder Hochmut, sondern einfach nur, weil sie nicht mehr in dein Leben passen. Schließe die Tür, lege eine andere Platte auf, räum dein Haus auf, schüttele den Staub aus. Höre auf zu sein, der du warst, und werde der, der du bist.“ Dass dies nicht immer einfach ist – die Rede ist immerhin von selbsterschaffenen Agenten die bewältigt werden müssen! -  versteht sich von selbst. Eine Herausforderung, die rote Kapseln nun mal so mit sich tragen. Umgehen lassen sich Déjá-Vus, Fehler in der Matrix, nicht – aber man kann versuchen, das System zu optimieren.

Die Crux, die dennoch bestehen bleibt, ist ein möglicherweise zu komplexes System des Gegenübers, undurchdringlich, vielleicht gar verworrener als das eigene. So läuft die Schnittmenge, die Beziehung, um die es letztlich geht, oftmals Gefahr, eingekeilt zu sein zwischen zwei Egos, ein „Dazwischen,“ das vor lauter Abwägung der Konstanten verkümmert. Nehmen wir der bildhafteren Verständlichkeit halber doch einen metaphorischen Gegenstand zu Hilfe, einen Löffel beispielsweise. Du kannst versuchen, ihn zu verbiegen... Dann wirst du sehen, dass nicht der Löffel sich biegt, sondern du selbst.

360

Bild: theiapolis.com

Wo sind denn hier die 360°? Das schließt sich gar nicht richtig! Dachte ich mir zuerst und suchte die  Dramaturgie des Episodenfilms, bei der jeder einzelne Strang für sich und für jeden Charakter geschlossen wird. Dann malte ich die Figurenkonstellation auf – et voilá: der Kreis schließt sich.

Inspiriert von Arthur Schnitzlers Reigen treffen immer zwei Figuren aufeinander, von denen eine wiederum die Handlung fortträgt in die nächste Szene und so fort, bis das Ende auf den Anfang trifft. Analog zum Reigen beginnt die Kette mit einer Prostituierten: Michael Daly, gespielt von Jude Law, hatte sie eigentlich gebucht und nimmt ihre Dienste dann doch nicht in Anspruch was, erinnernd an die Kugel eines Newton-Pendels, die das weitere Geschehen anstößt. Und ganz klar ist auch hier wie im Reigen Sex die verbindende Komponente, das handlungskonstituierende Element: Betrug, Begehren, Nicht-zustandekommen,  auch ein Vergehen hängt im Raum.

Die Hierarchisierung jedoch, die bei Schnitzler noch eine tragende Rolle spielte, von Dirne und Soldat bis hin zu Schauspielerin und Graf und wieder zurück zur Dirne, ist als solche so plakativ nur bei dem finalen Aufeinandertreffen der Prostituierten Blanka mit einem russischen Mafioso-Boss spürbar – und wird, im Stück wird dies offengelassen – aufgelöst. Gerade bei der Begegnung einer betrogenen jungen Frau mit Hopkins (Name der Rolle unbekannt) fällt sie jedoch subtiler aus: Sie könnte höchstens als Gegenüberstellung von alt und jung verstanden werden – insofern sinnvoll, da wir heutzutage keine Ständekluft mehr haben, die es zu überwinden gäbe.

So kommt es, dass, wie es dem 21. Jahrhundert gebührt, alt auch von jung lernen kann: „Du bekommst Gelegenheiten nur einmal in deinem Leben“, liest Hopkins auf einem ihm hinterlassenen Zettel, ein Gedanke, der ihm endlich seine verlorene Tochter loslassen erlaubt. So steht auch dieser Film, ähnlich wie Sliding Doors oder Lola rennt in der Tradition der Forking Paths. Es sind Weggabelungen in Form von Entscheidungen, die sich uns täglich darbieten – und wären wir heute an der selben Stelle, wenn wir auch nur einmal einen anderen Weg eingeschlagen hätten?

360 demonstriert, wie die Entscheidung eines Geschäftsmannes, seine Frau nicht zu betrügen, eine globale Ereigniskette in Gang setzt, die dem ersten Glied einen Neubeginn, eben das Beschreiten eines neuen Weges, ermöglicht. Gerade durch den globalen Faktor und die vielen Figuren neigt der Film dazu, etwas unübersichtlich zu werden und erst in längerer Auseinandersetzung offenbart sich die kreisförmige Struktur – er zeigt jedoch auch, wie aktuell Dramen wie der Reigen auch heute noch sind.Wo sind denn hier die 360°? Das schließt sich gar nicht richtig! Dachte ich mir zuerst und suchte die  Dramaturgie des Episodenfilms, bei der jeder einzelne Strang für sich und für jeden Charakter geschlossen wird. Dann malte ich die Figurenkonstellation auf – et voilá: der Kreis schließt sich.

Inspiriert von Arthur Schnitzlers Reigen treffen immer zwei Figuren aufeinander, von denen eine wiederum die Handlung fortträgt in die nächste Szene und so fort, bis das Ende auf den Anfang trifft. Analog zum Reigen beginnt die Kette mit einer Prostituierten: Michael Daly, gespielt von Jude Law, hatte sie eigentlich gebucht und nimmt ihre Dienste dann doch nicht in Anspruch was, erinnernd an die Kugel eines Newton-Pendels, die das weitere Geschehen anstößt. Und ganz klar ist auch hier wie im Reigen Sex die verbindende Komponente, das handlungskonstituierende Element: Betrug, Begehren, Nicht-zustandekommen,  auch ein Vergehen hängt im Raum.

Die Hierarchisierung jedoch, die bei Schnitzler noch eine tragende Rolle spielte, von Dirne und Soldat bis hin zu Schauspielerin und Graf und wieder zurück zur Dirne, ist als solche so plakativ nur bei dem finalen Aufeinandertreffen der Prostituierten Blanka mit einem russischen Mafioso-Boss spürbar – und wird, im Stück wird dies offengelassen – aufgelöst. Gerade bei der Begegnung einer betrogenen jungen Frau mit Hopkins (Name der Rolle unbekannt) fällt sie jedoch subtiler aus: Sie könnte höchstens als Gegenüberstellung von alt und jung verstanden werden – insofern sinnvoll, da wir heutzutage keine Ständekluft mehr haben, die es zu überwinden gäbe.

So kommt es, dass, wie es dem 21. Jahrhundert gebührt, alt auch von jung lernen kann: „Du bekommst Gelegenheiten nur einmal in deinem Leben“, liest Hopkins auf einem ihm hinterlassenen Zettel, ein Gedanke, der ihm endlich seine verlorene Tochter loslassen erlaubt. So steht auch dieser Film, ähnlich wie Sliding Doors oder Lola rennt in der Tradition der Forking Paths. Es sind Weggabelungen in Form von Entscheidungen, die sich uns täglich darbieten – und wären wir heute an der selben Stelle, wenn wir auch nur einmal einen anderen Weg eingeschlagen hätten?

360 demonstriert, wie die Entscheidung eines Geschäftsmannes, seine Frau nicht zu betrügen, eine globale Ereigniskette in Gang setzt, die dem ersten Glied einen Neubeginn, eben das Beschreiten eines neuen Weges, ermöglicht. Gerade durch den globalen Faktor (Wien, London, Paris, Flughäfen) und die vielen Figuren neigt der Film dazu, etwas unübersichtlich zu werden und erst in längerer Auseinandersetzung offenbart sich die kreisförmige Struktur – er zeigt jedoch auch, wie aktuell Dramen wie der Reigen auch heute noch sind.

Twixt – it’s all in the mix


Bild: www.filmfest-muenchen.de
Eine Kirchturmuhr mit sechs Uhren, derer jede eine andere Zeit anzeigt – man sagt, der Teufel wohne ihr inne – ist der mystische Mittelpunkt einer kleinen Ortschaft, in der nicht nur nicht sicher ist, wie spät es denn nun sei, nein, die Zeit scheint still zu stehen, während sich die Ereignisse für Horrorbuchautor Hall Baltimore überschlagen. In der Rolle der untersetzte Val Kilmer, auf der Mission sein neues Buch zu promoten findet er eine Story, Vampirismus, Serienmord.

Francis Ford Coppola inszeniert – endlich wieder! – zwar keinen Epos wie in früheren Tagen, jedoch eine Gothic-Novel in der Tradition Poes, der auch selbst auftreten darf. In Träumen und im Rausch, niedergestreckt, begibt sich Hall auf die Spur der geheimnisvollen Schauergeschichte. Es Verweben sich Inspiration und Story, Binnenmärchen und Plot, „And it will have a twisted ending!“ verspricht er seinem Verleger – der Film hält das Versprechen ein.

Visuell konteragieren die halluzinogenen Nachtsequenzen mit denen bei Tag – wobei erstere in 3D gedreht wurden, dem Publikum jedoch ohne Brille gereicht werden. Dennoch wirken sie plastisch und unwirklich, schwarzweiß, ein Hauch von Neo-Noir und möglicherweise ein leises Statement einer gealterten Regiegröße: Ich kann das auch! Aber zu sehen bekommt ihr es nur zur Hälfte.

Coppola selbst soll gesagt haben, er begann seine Karriere wie ein alter Meister und nun wolle er sie zu Ende bringen wie ein Jungregisseur, was ihm gelingt: Das Ergebnis ist eine unterhaltsame Mischung aus Adaptation und Sin City, kein Meisterwerk, aber kurzweilig.



Spieglein, Spieglein ...

... an der Leinwand, zwei Schneewittchen-Verfilmungen in einem Jahr sind allerhand.
Ohne uns mit kulturwissenschaftlichen Überlegungen aufzuhalten, was wohl die Gründe für die Anhäufung von Märchenverfilmungen und -filmen der letzten Jahre sein mögen (von den Gebrüdern Grimm über Sternenwanderer bis Shrek und sämtlichen Fernsehproduktionen), die beiden aktuelle Schneewittchen-Adaptionen Snow White and the Huntsman und Spieglein Spieglein – die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen (im Folgenden mit SW und SS abgekürzt) im direkten Vergleich.

Der Apfel.
Bild: studiocanal.de
Ein Märchen, das in seinen Grundzügen immer noch das selbe Märchen bleiben will, wird in einer Neuadaption nicht umhin kommen, das altbekannte Motiv zwar aufzurufen, es aber zu variieren. So kommt dem Todesstarre bringenden Apfel in SS nur mehr die Funktion einer kleinen ironischen Pointe am Ende zu – auf einen Apfel fällt Schneewittchen von Heute nicht mehr herein. In SW dagegen schon, jedoch  liegt es hier am Mittler: Die böse Stiefmutter kommt nicht mehr in Gestalt einer Hexe, sondern in der eines Vertrauten.

Der Spiegel
Das  Mittel schlechthin, die Animationstechnik zeitgenössischen Films zu zelebrieren. Ob nun die Königin, verkörpert von Julia Roberts, in SS in Matrix-manier hineintaucht und sich in einer surrealen Anderswelt wiederfindet, oder die glatte goldene Oberfläche in SW langsam beginnt amorph zu zerlaufen, um als Gestalt vor Charlize Theron zu erstarren -  es bündelt sich gerade in den Szenen, in denen die Königin auf ihren Spiegel trifft, der Einsatz technischer Visualität und Virtuosität.
SW geht aber noch einen Schritt weiter, indem er sorgfältig, phantasievoll, und stellenweise ebenso eindrucksvoll inszeniert – während SS oftmals eher auf Humor setzt, wenn die Königin ihrer Schönheitsroutine nachgeht, beispielsweise.

Schneewittchen
Schneewittchen ist schön (wenn man so will) und gut, wenn nicht sogar „das Leben selbst“, die Verkörperung alles Reinen und aller Unschuld. Viel mehr ist nicht zu sagen – viel mehr muss sie nicht können. Dies betrifft auch Darstellerinnen Kristen Stewart und Lily Collins – aber wen kümmert’s, sind doch die Rollen des Gegenparts hochkarätig besetzt.

Die Königin
Julia Roberts mit ewig ironisch-zickigem Unterton ist, wie schon erwähnt, beizeiten recht amüsant anzusehen. Interessant ist auch, wie hier versucht wird, einen historischen Pseudorealismus hineinzubringen: Nicht von ungefähr leidet und hungert ihr Volk und ihre Eitelkeit erinnert stark an Marie Antoinette. Eitelkeit ist auch schon das Stichwort – diese scheint ihre einzige Bestrebung zu sein, die einzige Motivation zum Bösen – wie es in Analogie mit ihrem Spiegelbild schon im Märchen war. Auch die Parallele zu Wild’s Dorian Gray lässt sich weder leugnen, noch übersehen – vielleicht nicht der schlechteste Einfall, ebenso wenig aber auch der originellste.

© Universal Pictures

Noch interessanter allerdings ist, dass der Figur der Charlize Theron erstmals psychologische Tiefendimension beigemessen wird. Dass ein Mann, der ihr einst das Herz brach, Schuld an allem Übel ist und zudem auch ihre Mutter, die ihr sagte, ihre Schönheit sei ihr ganzes Kapital, mag zwar arg feministisch sein und ein sehr holzschnittartig entwickelter Ursprungskonflikt, dennoch vermögen gerade diese Aspekte, der Figur gewisse Menschlichkeit und Gebrechlichkeit zu verleihen. Die böse Stiefmutter ist nicht mehr „einfach nur böse“, sie ist es aus Schmerz und Verbitterung, eine Emanze mit fehlgeleiteten Idealen, einsam und nur noch Erfüllung findend in Schönheit und ewiger Jugend.

Insofern ist auch eine Kontextverschiebung nicht verwunderlich, was die Männer angeht: Der Prinz wird zum Freund, der Jäger, wie der Titel „and the Huntsman“ schon besagt, zum Begleiter und Retter – in einer Zeit, in der Äpfel ihren verwunschenen Wert verwirkt haben, brauchen Prinzessinnen auch keinen Prinzen mehr.

Mit neuen Mitteln und viel Kreativität  gelingt beiden Filmen, SW aber noch mehr als SS, der visuell angereicherte, effekt- und spannungsgeladene Transfer vom Märchen zum Film, der sich als Fantasy-Abenteuer größter Aktualität erfreut. Snow White and the Huntsman besticht jedoch mit mehr Originalität, Düsterheit, einer brillanten Optik und nicht zuletzt mit einer grandiosen Charlize Theron und lässt Spieglein Spieglein somit als kinderfreundlicheren, „netten“ Film hinter sich. 

Wie im Kino. Auf dem Sofa.


Bild: daserste.de


Gestern wurde ich Zeugin von Fernsehgeschichte. Nun, so drastisch wird es wohl kaum jemand bezeichnen, aber wer gestern noch Willens war, sich jenseits der Prime-Time und des Tatorts Sherlock Holmes  anzusehen, dem wird nicht entgangen sein, dass hier etwas Besonderes geschieht. Beverly Hills, Melrose Place, Friends, das war gestern. David Lynch’s Twin Peaks mag ein Vorreiter gewesen sein, und ob der idiosynkratischen Lynchschen Inszenierungsweise einigen vielleicht sogar etwas zu speziell – doch lässt sich nicht leugnen, dass „unkonventionelle“ Erzählmuster von der Kinoleinwand nun endlich den heimischen Fernsehbildschirm erobern.

Wie einst in SAW verfolgten gebannte Zuschauer gestern am Bildschirm, wie sowohl Sherlock als auch seinen Erzfeind Moriarty blutend niedersackten, oder vielmehr fielen, und ... starben. Oder etwa nicht? Natürlich nicht. Denn das Strickmuster der Serie ist analog zu Sherlocks scharfsinnigem Verstand: er weiß immer mehr, als dem Zuschauer verraten wird. Holmes ist jedem, und nicht zuletzt uns, immer einen Schritt voraus – und Inhalt und Form kohärieren für ein TV-Format geradezu unfassbar perfekt.

Einerseits ist dieses Phänomen kongenial unsere immer anspruchsvoller werdenden Sehgewohnheiten betreffend – und dennoch auch ebenso überraschend. Überraschend vielleicht daher, dass man kaum glauben mag, seinen Augen kaum traut, etwas tatsächlich hochkarätiges zu sehen ob der allseits verbreiteten Reality- und sog. "Hartz IV-TV"- Produktionen. Dabei deuteten die Entwicklungen jüngster Zeit schon in diese Richtung: Während Formate wie Grey’s Anatomy oder ähnliches noch relativ konventionell erzählt werden, ist die Rahmengeschichte bei How I met your mother schon ungewöhnlich. Während man über lange Strecken der Serie hin dazu neigt zu vergessen, dass es sich nicht nur um ein Voice-Over Teds handelt, sondern er seinen Kindern acht Staffeln lang erzählt, wie er ihre Mutter kennengelernt hat, stellt sich diese Erzählweise in einigen Folgen überraschend wieder explizit heraus. Indem er sich berichtigt, beispielsweise, oder von einer Party mit einer Ziege erzählt, die am Ende dann doch eine andere war. Das Gedächtnis trügt – und wir fallen auf einen unzuverlässigen Erzähler herein, wie er sonst nur im Kino seine großen Auftritte hatte.

Auch thematisch ist dieser Paradigmenwechsel spürbar: Dexter und Heisenberg aus Breaking Bad, eigentliche Opfer, werden zu legitimierten, ethisch vertretbaren Tätern. Anstatt einem Serienkiller auf den Fersen zu sein, hoffen wir nun, er kommt davon. Und in True Blood können Vampire zwar nicht wie Blade tagsüber herumspazieren, doch sie sind Teil einer politischen Bewegung und fast überall auch anerkannter Teil der Gesellschaft. Eine interessante Entwicklung, bedenkt man Murnaus Nosferatu vor rund 100 Jahren und die bittere Süße einer Twilight-Romanze – vom isolierten Vampir in Interview mit einem Vampir ganz zu schweigen. Plus: Neuerdings macht Vampirblut geil.

Was die neue Art zu erzählen im Fernsehen angeht, gilt auch hier: Wer Blut leckt, will mehr. Es bleibt zu hoffen, dass dies keine kurzfristige Zeitgeist-Erscheinung ist und Produzenten sowie Drehbuchschreiber uns, ganz wie Sherlock, einen kleinen Schritt vorausbleiben. 

Ich reise allein


... und in meinen Koffer packe ich ein Quäntchen About a boy, auch ein wenig  Juno – und dementsprechend vor allen Dingen eine Menge Sarkasmus der feinsten und trockensten Art.

© Neue Visionen Filmverleih
Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit. Was passiert, wenn ein ziemlich oft betrunkener Student und seine siebenjährige Tochter, von der er bis dato nichts wusste,  für eine Woche zusammentreffen? Ziemlich gute Dialoge, sollte man meinen – und im Fall von Ich reise allein eine etwas andere Coming of Age – Geschichte, erzählt mit viel Witz und Herz.

Nun könnte man ansetzen mit Zufallstheorien, Soziologie, bestimmt auch mit Freud oder Kant. Wäre man durch den Film, und die selbstreflexive Methodik bleibt leider nie aus, nicht auf ironische Weise daran erinnert worden, dass nicht immer alles philosophisch kontextualisiert werden muss. Der Film selbst greift dieses auf – und das ist ja das schöne an Doppelcodierung – man muss nicht wissen, wer Derrida ist, um über kleine Seitenhiebe an vergeistigte, aber ebenso weltfremde Studenten lachen zu können.

Und letztlich geht es dann eigentlich doch um Zufall-Determinismus und darum, wie schnell sich Dinge ändern können, wie etwas aus der Vergangenheit in die Gegenwart treten kann und vielleicht auch dazu bestimmt ist zu bleiben. Womit wir wieder bei dem Motiv wären, das in About a boy schon aufgegriffen wurde: Kein Mensch ist eine Insel.  Ein Schild mit der Aufschrift „Ich reise allein“ hängt um Charlotte-Isabels Hals, als sie am Flughafen ankommt. „Reisen wir nicht alle alleine?“ wirft ein Freund von Neuland-Papa Jarle ein ... und der Film selbst vermag, darauf Antwort zu geben.

Die Crux mit der Schönheit


© Marcus Schäfer, www.marcusschaefer.com / www.artpioneers.de


Begrifflichkeiten unterliegen dem Wandel der Zeit. Sei es nun Männlichkeit, Weiblichkeit, Freiheit, Moral, Obszönität, oder eben auch: Schönheit. Ob gehüllt in Seide nach Milchbad zu Kleopatras Zeiten, robust und mollig zu Rubens, oder dürr und grunge zu Moss’s – Schönheit ist immer Frage des Zeitgeists, des Trends, eines aktuellen Konsens und liegt nicht zuletzt: im Auge des Betrachters. So weit, so gut, und so weit ist das nichts Neues. Auch, das mit Aufkommen der Massenmedien Bilder von Schönheit uns gleichwohl vorgegaukelt wie diktiert werden, dürfte mittlerweile im Bewusstsein angelangt sein. Dass Medien weiterhin auch beeinflussen, ist unumgänglich: Täglich werden wir konfrontiert damit, wie wir bestenfalls auszusehen hätten und versuchen dem nach Möglichkeit mit einer Portion von Individualismus nachzukommen.

Dass auch selbige Beeinflussung persönlichkeitsabhängig ist, liegt auf der Hand. Denn keiner muss, wenn er nicht will. Nur wegsehen, das geht leider eben nicht, selbst wenn man möchte. Denn von jedem Hochglanzmagazin, an jeder Ecke, strahlt uns ein Gesicht an mit dem Versprechen, mit Produkt x dem strahlenden Gesicht, dem Traum vom Ideal, näher kommen zu können. Zu glauben, jenes Gesicht wäre dabei natürlich belassen so schön, wäre naiv, und auch das weiß der Betrachter. Im Normalfall, und natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel.

Fassen wir soweit einmal zusammen: es existiert auch in unserer Zeit ein allgemeiner Konsens darüber, was schön ist und was nicht, und dieses Ideal einer konstruierten Schönheit strahlt uns in bearbeiteter Form täglich entgegen. Und wenn wir ehrlich sind, wollen wir es doch gar nicht anders!

Und selbst wenn Kampagnen wie Dove ausnahmsweise keine perfekten Körper zeigen ... finden wir das sympathisch, ja, das ist mal was anderes, da sehen wir Menschen die normal sind, wie Du und ich! Aber würden wir überall dicke, asymmetrische, kleine Menschen sehen wollen? Wohl eher kaum. Denn Tatsache ist doch, dass wir beim Betrachten einer Reklame nur allzu gerne das entgegennehmen, was uns da präsentiert wird. Und dem  unter Vorbehalt auch glauben, glauben wollen – ohne Überzeichnung des Produkts würde Werbung als solche ihre Sinnhaftigkeit verlieren. Schon auf Marktplätzen im alten Rom pries jeder Händler seine Ware als die beste an. Das ist Strategie und gutes Recht der Werbung, wenn auch kein Garant, und der Käufer weiß das. Punkt ist, ein Stück weit wird nichts anderes erwartet, man möchte hinters Licht (oder hinter schöne Fassaden) geführt werden – Darstellung von Perfektion ist Stilmittel der Medien und sollte vom kritischen Betrachter auch als solches empfunden werden, ebenso wie die Versprechen, die damit einhergehen und wahrscheinlich nicht eingelöst werden.

Dennoch ist, wie auch anhand von Dove schon gezeigt, ein gegenläufiger Trend bemerkbar: So wurde eine Kampagne angehalten, bei der Julia Roberts als „zu retuschiert“ befunden wurde. Form follows function ist ein Begriff, den Louis Sullivan bezüglich der Architektur prägte. Im Regelfall gilt für die Werbung, dass geschönt und idealisiert werden darf und sogar soll, denn von ihr wird ja erwartet, das Idealbild zu verkörpern. Hier wurde über das Ziel hinausgeschossen – ein Produkt, das für Natürlichkeit steht, sollte auch mit Natürlichkeit beworben werden, und nicht mit offensichtlich künstlicher Makellosigkeit. Scheinbar befinden wir uns an einem Punkt, an dem gefordert wird, Grenzen zu definieren. Wie viel darf und wie viel soll retuschiert werden? An welchem Punkt kippt die Werbeästhetik, welche wir als solche annehmen, ins Übertriebene? Und wäre es vielleicht tatsächlich an der Zeit, eine „lebensnähere“ Ästhetik in der Werbung einzuführen?
Die Frage die dahinter aber vor allem steht ist, ob es überhaupt möglich ist, dem gegenzusteuern. Denn wie schon festgestellt, haben wir uns bereits lange auf einen Konsens geeinigt, und Werbung ist nun einmal das, was sie ist. Den Gedanken weitergesponnen – wer würde sich für eine solche Grenzsetzung verantwortlich zeichnen? Muss etwa eine Instanz eingeführt werden, die filtert, welche Werbung natürlich genug ist und welche nicht? Und gerieten wir damit in die Nähe der Zensur? Wenn man Werbung ein Stückweit auffasst als Kunstprodukt – wäre dies dann Einschränkung der künstlerischen Freiheit?

Literarische oder künstlerische Strömungen und Entwicklungen betrachtend, erfolgt immer Wende nach Kulmination. Möglicherweise zeigt also der Fall Roberts, ungeachtet dieser Fragen, den langsamen Eintritt einer solchen Wende auf. Es gilt nicht, Antwort auf eben aufgeworfene Fragen zu geben, ein Definieren von Grenzen ist nicht möglich, denn diese verschwimmen ständig und unterliegen dem Diskurs – erst die Zeit wird Antworten finden oder andere Darstellungsmöglichkeiten aufbringen. Etwas, das seit Jahrzehnten so gefestigt ist, kann nicht von heute auf morgen einem Paradigmenwechsel unterworfen werden. Werbung ist oberflächlich und hat keinen Anspruch auf Authentizität – möglicherweise sind wir aber gerade dabei, unsere Haltung demgegenüber zu ändern. Ob diese ersten gegenläufigen Ansätze etwas bewirken und schleichend die Medien im Gesamten revolutionieren, bleibt zu bezweifeln. Aber vielleicht ist in diesen Ansätzen eine erste Grenzverschiebung bemerkbar und möglicherweise liegt die nähre Zukunft in Koexistenz beider Tendenzen. 

Israel beispielsweise beschloss nun als erstes Land per Gesetz, dass retuschierte Kampagnen als solche kenntlich gemacht werden müssen. Aber müssen sie das wirklich? Letztlich ist doch wichtig dass, auf Seiten des Betrachters, weiterhin eine kritische Haltung eingenommen werden sollte, egal wie etwas dargestellt wird. Mit McLuhan: „The medium is the message.“ Es geht nicht um den Inhalt des Dargestellten, sondern um das Medium selbst. Werbung soll stimulieren, uns und unsere Sinne ansprechen – wie im "überarbeiteten" Sinn McLuhans, the medium is the massage. Dem gilt es bewusst gegenüber zu stehen, und es in erster Linie für sich selbst zu definieren, wie weit man sich auf das lächelnde Gesicht einlassen möchte – und eben auch zu wissen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Manchmal ist es einfach nur Photoshop.


Das entwurzelte Individuum in der nächtlichen Großstadt

Gestern wagte ich mich zu etwas ganz Neuem, für mich selten dagewesen, einem Selbstexperiment, das eine ungeheuer große Menge an Mut erfordert: Ich ging alleine in den Club. Nachdem Ostern ist und alle Menschen entweder zuhause sind und Eier suchen, die Verbliebenen schlichtweg selbst Weicheier sind, dachte ich mir, ich gehe mir jetzt einfach mal neue Freunde suchen! So wirklich fündig wurde ich nicht. Gelohnt hat es sich trotzdem! Wenn auch die Ausbeute sich nur auf einen Tequila belief. Leider ist die Männerwelt nicht mehr so spendabel wie früher, aber Recht hat sie, denn ich will nur euren Alkohol. Harrharr.

Nach einigen Gläschen Prosecco traute ich mich also, im neuen Lieblingsteil, Wohlfühlen ist hier schließlich oberste Priorität!, hinter meinen Büchern hervor, um dann, nun ja, Rush Hour, meine Facebook-Nachrichten bestätigen es: exakt 37 Minuten anzustehen. Das Ergebnis deckte sich mit meinem Plan aber nur zu gut, denn wenn der Laden brennt, kann man locker lässig mit seinem Drink an der Wand lehnen, ein bisschen zum Beat (exquisit!) nicken, und sich vor allem höchst unauffällig verhalten. Der Plan war, sollte ich angesprochen werden, im Vorfeld exaktestens ausgearbeitet: Anfangs sage ich, ich warte noch auf jemanden. Später, ich habe meine Leute verloren – und am Ende sind sie eben schon weg. Als ich dann tatsächlich gefragt wurde, hielt ich mich an nichts von dem und sagte einmal „Ich verschaffe mir Überblick“, ein anderes Mal „Ich konzipiere!“ und denke, das hinterließ auch den viel besseren Eindruck, wenn ich darauf auch nicht wirklich aus war.

Überblick verschaffte ich mir aber wirklich. Ich liebe es ja, Menschen zu beobachten, so als außenstehende. Die gestern wollten wohl gern einem MTV-Videoclip entsprungen sein, sie bemühten sich redlich, und in ihrer Wahrnehmung war dem sicher auch so. Das Grinsen, das sie mir aufs Gesicht zauberten, spätestens als ich ein dickes Mädchen beim Balztanz beobachtete, allerspätestens aber, als ein anderes ihren eigenen iPhone-Code drei mal falsch eingab, muss dann sehr einladend gewirkt haben. Denn lässig wie ich so an der Wand stand und an meinem Drink nippte, blieb ich natürlich nicht lang allein!

Zuerst war da Philipp. Philipp hatte irgendwas mit Industriedesign studiert und ist jetzt Praktikant - für 400 Euro. Er hat einen Abschluss!! Wir kamen allerdings nicht zu weiteren Ausführungen einer Diskussion über unfaire Bezahlung von Akademikern, da auf einmal drei seiner Freundinnen beim Rauchen zwischen uns standen, ich fand das nicht besonders schlimm, und kaum dass sie mich verdeckten und ich eine fast mit meiner Zigarette angezündet hatte, ging ich. Überhaupt war mein Abend geprägt von polnischen Abgängen, das vermittelt mir immer so ein Gefühl absoluter Freiheit und Unabhängigkeit, denn Scheiß auf alle, ich führ mich heute selber aus!

An der nächsten Wand war dann da ein Thomas, der ein unheimlich tolles Lachen hatte und auch sonst den Schalk im Nacken, und ich stand auf seinen HipHopper-Style, nur mit 30 finde ich ist man da eigentlich langsam rausgewachsen - da er aber 1,60 groß war, war das nicht weiter tragisch. Ich ging eine rauchen und ward nie wieder gesehen, sein ständiges Gestupse und dass er immer von meinem Bier trinken wollte, fand ich auch irgendwie infantil.

Als nächstes lernte ich einen wirklich großgewachsenen, wie sagt man politisch korrekt, Afro-Deutschen?! Kennen, der hieß Lul, und ich so: LOL??? „Wir haben beide außergewöhnliche Namen, also schon mal was gemeinsam!“ meinte Lul und gab sich auch sonst sehr charmant, war leider nur nicht mein Typ, und außerdem wurden wir während dem Gespräch jäh unterbrochen von einem komischen Milchgesicht, das meinte es sei Millionär (ich tippe auf BWL-Student) und würd gern mit mir essen gehen, ein Bier springen lassen wollte es allerdings nicht. Dafür kam es mir später zu Hilfe, als Tequila-Boy und Berliner Sprayer (Akademie) Künstler Konrad dachte, sein Tequila würde mich dazu bringen, zu seinen Eltern nach Hause mit zu kommen, die haben nämlich ein Schwimmbad. Auf mein entsetztes "Ich will doch nicht in dein Schwimmbad Alter!!!" bemerkte er schlicht, ich könne ja auch mitkommen dann eben ohne Schwimmbad, und tanzte weiter vor mir her. Um ihm zu entgehen, versteckte ich mich auf dem Klo und rauchte mit einem Mädchen heimlich, schade dass sie dann gehen musste, sie wäre Anwärterin auf neue Freundin Nummer Eins gewesen. Mädchen aus Wien, wenn du das liest, melde dich bitte!

Da die Zigarette meine letzte war und unversehens auf einmal halb sechs Uhr morgens und an der Wand lehnen, so schien es mir, nicht mehr ganz so cool und lässig aussah, sondern wahrscheinlich eher verzweifelt, beschloss ich zu gehen, ehe jemand meinen beobachtenden schelmischen Blick missdeuten könnte. So tänzelte ich, beschwipst bestärkt um eine Erfahrung bereichert mit Kopfhörern im Ohr in die Morgendämmerung nach Hause und tyrannisierte Freunde, die nicht dabei gewesen waren via Sms. Denn, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, am andern Ende der Leitung ist immer jemand wach – und allein bist du nur, wenn du dich so fühlst.



Sorry... but I had... life to do!


Bild: fuckyouverymuch.dk

Leben, Uni, Lebenskrisen, Umstrukturierungen, Arbeit, Schaffensprozesse aller Art, doch ungefähre zweihundertdreiundrölfzig Klicks auch in paarwöchiger Abwesenheit können nicht trügen und hier, rastlos, zehn vor zwei nachts, mein Hintern tut weh, weil den ganzen Tag schreiben und head on heavy rotation nun mal auf den Hintern zu gehen scheinen, meldet sich die Autorin, so siehts aus - sogar mit Intention! – zu Wort.

Denn auch zwischen hardcore Softporn-Sexszenen-screenings en masse und sämtlichen sonstigen Überforderungen darf man sich was auf keinen Fall nehmen lassen? Richtig. Einen Film auch mal zwischendurch, just for fun, mit größtmöglicher Abkoppelung jedweder universitärer reizüberflutender Hintergedanken, nein, nicht mal Freud!

Deswegen an dieser Stelle in aller Kürze, Filme. Fürs Kino. Für euch.
Dass Ziemlich beste Freunde es binnen einiger Wochen selbst in der letzten Provinz geschafft hat, Anklang zu finden, ist mir nicht entgangen. Dementsprechend, wofür die Empfehlung? Pro forma. Und ich gebe zu, ich bin gegen Ende eingeschlafen. Nur ein bisschen. Und das liegt nicht daran, dass er mir nicht gefallen hätte, sondern ist vielmehr der traurigen Tatsache geschuldet, dass der Trailer so viel vorwegnahm, ebenso wie begeisterte Bekannte und Nonsense-Facebookposter meinerseits. Was lernen wir daraus? Künftig zu spät ins Kino kommen, Vorschau verpassen, nur die Lagnese-Werbung mit dem knuffigen weiche-Kern-Bär, die nehm ich vielleicht noch mit. Dennoch, und natürlich, ein Film der als Underdog und französische Produktion so unglaublich viele erreicht, hat allein schon deswegen Relevanz. Hinzu kommt der von unterschwelliger Wärme getränkte pechschwarze Humor und die ruhige Anti-Amerikanische Inszenierungsweise. Und damit einhergehend die Frage, ob Arthouse denn jetzt Mainstream wird und was dann die neue Abgrenzung zum Mainstream und ...

Sprechend davon, hoch gehandelt, zurecht Globe-Gewinner und wundervolle Reminiszenz Schrägstrich Hommage an das Stummfilmkino: The Artist. Nachdem ich ja schon letztes Jahr geschrieben hatte über The Mountain, der sich in alte Tradition einreiht, dabei aber weniger an die Öffentlichkeit gelang, nun: Ein schwarzweißer Stummfilm über einen Stummfilmstar, der sich weigert, Tonfilme zu machen. Filmreflexivität per excellence, nicht zuletzt in einer Szene, in der der Protagonist davon träumt, plötzlich überall Ton wahrzunehmen, nur selbst eben keinen solchen herausbringt. Und auch der Hund, der quasi tragende Nebenrolle in seinen Filmen hat im Film, kommt nicht zu kurz. Im eigentlichen Film. Kurzum, in einer Zeit, in der Stummfilme mehr gemieden denn gesehen werden, ein Experiment, dass es sich allemal zu sehen lohnt, auch in Anbetracht der Selbstbetrachtung des rezeptiven Prozesses. Denn es sitzt sich auf jeden Fall ungewohnt anders im Saal. Und das Kauen der Nachos kam mir unheimlich laut vor. Ungeachtet dessen: umwerfende, 30er-Jahre-Charisma-versprühende Darsteller, im Film wie im Film im Film, von der Ästhetik ganz zu schweigen, wir dürfen gespannt sein auf die Oscarverleihung.

Last but not least, ein Vorausblick auf Steve McQueens The Shame (Ab 1. März), der in Venedig schon für aufsehen sorgte und gleichwohl bedrückend wie steril  und desillusionistisch ist. Brandon, verkörpert von Michael Fassbender, ist der 2011er Ableger von American Psycho Patrick Bateman – genauso gestört, ähnlich pervers – aber „nur“ auf sexueller Ebene, das Morden bleibt aus. Und das reicht auch schon, um das unterkühlte entindividualisierte und emotionslose Dasein eines New Yorker Geschäftsmannes zu zeichnen, der mit seinem Leben nicht klar kommt. Und ob er das wird, oder ob es wie in American Psycho mit einem „No exit“ endet, davon überzeugt ihr euch lieber selbst.

Gerade findet die Berlinale statt. Noch ohne mich dieses Jahr. 

Mein Hintern und ich, wir haben nämlich wahnsinnig viel zu tun diese Woche. Und gehen jetzt schlafen. 

In Time



Bild: sf-fan.de
Oft gehört, allgemein bekanntes geflügeltes Wort: Zeit ist Geld. In Timberlakes neuestem von Fox so beworbenen Action-Thriller „In Time“ ist Motto gleich Programm: Zeit ist begrenzt, Währung, Mittel und Zweck sowie Mittel zum Zweck in einem. Die Lebensdauer jedes Menschen beträgt von Geburt an vorprogrammiert 26 Jahre, mit 25 hören sie auf zu altern. Ihnen bleibt ein Jahr, ehe die Uhr abläuft - jede darüber hinausgehende Sekunde wird erarbeitet, erkauft, hin- und hergeschoben. Per Handschlag wird bezahlt, Hände leicht gedreht, schon sieht man die digitale Zeitanzeige am linken Arm sich füllen oder leeren, toktoktoktok, Pulsschlag gleich Sekundenzeiger, verbleibender Kontostand gleich Lebenserwartung.

Vermuten könnte man nun hinter solch Grundgedanken eine tiefgreifende philosophisch-sci-fi-Matrix-artige Umsetzung des Themas. Dass dies nicht der Fall ist, sondern die Bezeichnung „Action-Thriller“ schon recht gut trifft, macht aber nichts. Ungeachtet dessen, dass mehr Action und weniger Thriller, denn zugegebenermaßen, der Thrill haut nicht gerade um, ist es doch recht unterhaltsam, Justin und seiner Gefährtin Sylvia (Amanda Seyfried) beim Wettlauf gegen die Zeit zu beobachten.

Timberlake aka. Will Salas bekommt von einer des Lebens überdrüssigen Bekanntschaft ein Jahrhundert geschenkt und flieht daraufhin vor den „Time-Keepern“, die ihn des Mordes verdächtigen. In einem Reichenviertel/Reichenzeitzone schafft er es, sich beim Pokern noch ein paar Jahrhunderte dazu zu gewinnen, muss aber Sylvia als Geisel nehmen, um fliehen zu können. So kämpfen sie gegen den Ablauf ihrer Zeit, natürlich immer bis sprichwörtlich kurz vor zwölf, und (so Fox) „ihre Liebe wird zum wichtigsten Instrument im Kampf gegen das korrupte System“. Dass zwischen den beiden Protagonisten etwas entsteht und entstehen muss, ist von vornherein klar – die Glaubwürdigkeit einer Liebesbeziehung lassen wir mal außer Acht, denn darum geht es hier schließlich nicht. Und eigentlich auch nicht darum, dass Sylvia als Tochter des Zeit hortenden Oberchefs zusammen mit Salas zum zeitverteilenden Bonnie und Clyde/Robin Hood-Pärchen avanciert.

Worum geht es denn dann eigentlich? Um den simplen Plotbaustein „Rennen, Zeit, Verfolgung“ eines actiongeladenen Streifens mit gutaussehendem, laufenden und nicht gerade doofen Hauptdarsteller, der hübsches Mädchen an der Hand mitschleift. Das kann nun ein James Bond, Bruce Willis, Colin Farrell oder sonst wer sein,  die Komponente Zeit währenddessen in Verkörperung einer Bombe, eines Entführers, ach Weltuntergangs, sei es drum. Es ist immer eine Zeit, die abläuft, und immer ist es der Zuschauer, der mit klopfendem Herz hofft, dass dies vereitelt wird. Zeitlos macht dies einen Film sicherlich nicht, als netter Zeitvertreib erfüllt er aber seinen Zweck.