Jasmin - pers.: "Schönheit, Reinheit, Ordnung"

Die zweite Vorstellung von Jan Fehses "Jasmin" beim Filmfest München. Der Abspann läuft und es ist mucksmäuschenstill im Saal. Die Anspannung des Publikums ist geradezu greifbar, dann: Applaus für den anwesenden Regisseur sowie die Schauspielerinnen.

Ein Film, gedreht in nur fünf Tagen, jede der Szenen in Echtzeit, die Handlung reduziert auf den Dialog zweier Frauen. Anne Schäfer spielt die Kindsmörderin Jasmin, die ihren Selbstmordversuch überlebt hat und nun ihr Leben und die Tat für das psychologische Gutachten von Dr. Feldt (Wiebke Puls) rekapitulieren muss. Sie erzählt von ihrer Kindheit, dem Vater, der starb als sie sechs war, und der Mutter, die ihr die Schuld dafür gab. Von ihrer Jugend, der ersten Liebe, ihrer Tochter. Und jedes Mal, wenn sie von ihrem Vater oder der Tochter Franziska spricht, ist eine Wärme und Liebe in ihren Augen, die man bei der Schwere der Tat nicht vermuten könnte. Dann kippt ihre Stimmung wieder, und sie schwankt hin und her zwischen weinen und hektischem, verwirrten Blick.

Überhaupt spielt Anne Schäfer unheimlich eindringlich und ist jede Minute des Films präsent. Das Zwischenspiel beider Frauen, der einen, die gebrochen ihr kaputtes Leben darlegt und der anderen, die neugierig hinterfragt, führt in der Aufarbeitung dazu, dass der Zuschauer versteht: "Das kann jedem passieren." Man bleibt mit einem beklemmten Schaudern zurück.

Der Deutsche Pavillon: Das "Nazi-Walhalla"

Der Deutsche Pavillon auf dem Biennalegelände in Venedig hat vergleichsweise eine besonders geschichtsträchtige Stellung. 1907 errichtet als „bayerischer Pavillon“ im antiken Stil fiel er 1938 dem Pathos der nationalsozialistischen Baukunst zum Opfer. Der Architekt Ernst Haiger gestaltete das Gebäude zu einem monumentalen Repräsentationsbau für den „neuen Geist deutscher Kunst“ um, der die Kunst des Dritten Reiches repräsentieren sollte und ihr nun einen würdigen Rahmen verlieh.
Seither wurde der Pavillon nicht verändert, was für darin ausstellende Künstler eine Herausforderung sowie Belastung darstellt. Gemeint ist eine Belastung im doppelten Sinn: Bewältigung des Nationalhistorischen Hintergrundes ebenso im historischen wie im räumlichen Kontext. Künstler sehen sich verpflichtet, sich mit den Räumlichkeiten und der Geschichte auseinanderzusetzen, um sie zu neutralisieren, z.B. explizit Beuys, Hans Haake, Nam June Paik, Gregor Schneider und auch Liam Gillick 2009.
So nicht Christoph Schlingensief, der für die 54. Biennale beauftragt wurde. Seine Intention war es, eben nicht die Geschichte ein weiteres Mal abzuarbeiten, sondern „Leben da hineinzubringen“. Leider konnte er sein geplantes „Afrikanisches Wellnesszentrum“ nicht selbst verwirklichen, er starb letztes Jahr. Die anstelle dessen ausgestellten Werke Schlingensiefs im Pavillon wurden mit dem goldenen Löwen prämiert, was ob des Requiem-Charakters in einem „Nazi-Walhalla“ mitunter kritisiert wurde.
Schlingensief hätte dem sicher widersprochen, denn ist es nicht mittlerweile wirklich an der Zeit, Geschichte ruhen und Gebäude Gebäude sein zu lassen, zu Gunsten der freien Entfaltung? Er selbst meinte 2010: „An die Eindeutigkeit der Welt glaube ich nicht. Die Aufgabe den Deutschen Pavillon, einen verdächtigen Repräsentationsbau, nicht für repräsentative Zwecke, sondern für künstlerische Zwecke zu benutzen, ist da genau das Richtige: eine schwere Last, aber Kunst macht leicht, was sonst schwer ist. Vielleicht ist das aber gerade das Gute daran.“